Phil schrieb mir Folgendes:

"Phil

(Montag, 27 April 2020 16:28)

Hallo,

erstmal, Vielen Dank für die ganzen Infos und die tolle Seite! Echt Klasse!

Jetzt hätte ich aber auch selbst eine Frage: Kennst du einen Patronenfüller der so groß und von der Qualität wie der Pelikan M1000 ist? Ich habe drei hochwertige Füller und unter anderem den M1000, der für mich eigentlich perfekt ist (große Hände) , allerdings sind das alles Kolbenfüller und ich brauche bzgl. langer Klausuren einen Patronenfüller zum schnellen auffüllen der Tinte.

Bis jetzt habe ich nur einen Nakaya gefunden, obwohl ich momentan am überlegen bin, ob mir die 700 Euro nicht zu teuer sind für so einen schlichten Füller. Ich hab auch auf den Lamy Imporium oder den Dialog 3 überlegt, bin mir aber zum einen wegen der Größe und der Schreibqualität unsicher und zum anderen ob man damit auch lange schreiben kann.

Ich würde mich wirklich riesig über eine Nachricht freuen, da ich mit der Suche schon am verzweifeln bin :-(

Federstärke EF oder F. Für 5mm bzw. Ein Kästchen groß.

Viele Dank, liebe Grüße und bleib gesund,

Phil"

Vielen Dank, Phil, für Deine Anfrage, die ich versuche zu beantworten.

Vorbemerkung:

Grundsätzlich gibt es in den Eigenschaften bzgl. der Federeigenschaften kein Pendant. Die große und teilelatische, eigentlich eher weiche Feder kennt kein vergleichbares Modell, egal mit welcher Füllart. 

Somit ist es von vorne herein ein Modell mit ganz anderem Schreibcharakter, das da in Frage kommt. Im Vordergrund steht ja offenbar die Größe des Füllhalters. Und da wird es schon insofern schwierig, weil Handling und Größe nicht zwingend miteinander einhergehen. Ich habe eine kleine Hand, kann mit größeren Füllhaltern gut schreiben, auch mit einem M1000 und MB 149. Ein wesentlich schmälerer, aber langer Cross Townsend ist aber auch für mich gut oder der mittelgroße Sheaffer Legacy mit seiner Inlaid-Nib, den man letztlich weiter vorne hält. Eigentlich ist das eine Sache zum Selberprobieren. Aber wo soll man das in Deutschland? Nicht so einfach. In den Niederlanden würde ich einige Händler empfehlen können, in denen man sehr sehr viele Modelle probieren kann. Im Moment (1.5.2020) ist die Auslandsreise so nicht möglich. 

Und die Federn? Ich habe recht viel Erfahrung mit dem M1000, durchaus auch schlechte. Ich hatte mehrere EF-Federn, nur Probleme. Pelikan war sehr entgegenkommend, ich habe auch mit dem Entwickler der Feder telefoniert. Letztlich habe ich eine dickliche M-Feder, um überhaupt eine brauchbare zu haben. Die Federn differieren derart, dass ich mich Frage, was die z. B. unter EF verstehen, die eher wie eine M oder B läuft.

Lösung 1:

M1000 und ein Visconti-Reisetintenfass mitnehmen. Ich habe das heute mit dem M1000 ausprobiert, funktioniert einwandfrei. Man muss das Tintenfass nur richtig bedienen können. Ja, ist für eine Klausur o. ä. nicht ganz einfach. Ein Tintenfass tut es auch, habe ich früher in der Uni auch so gemacht. Aber ich verstehe, dass das so eine Sache ist. Ich persönlich habe mit dem M1000 nie Probleme mit der Tintenkapazität gesehen.

Lösung 2:

Der gefragte Patronenfüller. Das Hauptproblem hast Du genannt. Japan und Lieferung, ausprobieren kann man da sowieso nicht. Auch indische Modelle kommen in Frage:

In Frage gekommen wären:

• Verschiedene Nakaya-Modelle
• Pilot Emperor-Modelle sind Eyedropper!
• Pilot Custom 845 (gibt es aber derzeit bei Appelboom Pennen)
• Sailor King of Pen (verschiedene Modelle)
• Ranga handmade in India

 Die Nakaya und Pilot spielen dabei in einer ganz anderen Preisklasse als der M1000. Es lohnt sich immer, die üblichen europäischen Internethändler abzuscannen.

Lösung 3:

Die angesprochenen Lamy, die man ja problemlos bekommen kann. Der hervorragende Service spricht immer für Lamy. Man muss die Standard-Goldfeder von Lamy kennen. Diese Federn sind rigide, teils auch kratzig, manche wirklich gut. Der Tintenfluss sehr gut, man kann sogar die trockene Lamy blau verwenden, hier wäre es ja aufgrund des proprietären Patronensystems sowieso notwendig, Lamy-Tinte zu verwenden. Der imporium ist kein sehr großer Füllhalter, die Schraubkappe mit ihrem Kunststoff-Gewinde gegen Metallgewinde im Corpus ist ein Problem. Die Kappe ist auch nicht so einfach einzuschrauben. Eine Fehlkonstruktion. Lamy hat mir darauf erst einmal nicht geantwortet. Was hätten sie auch sagen sollen? Der dialog 3 hat eine sehr interessante Technik, ist mittelgroß und schwer. Der recht dicke Schaft sortgt in Verbindung mit der Schwere aber für eine generöse Haptik. Durchaus ein Lamy-würdiger Entwurf nach den vielen langweiligen Lamy der letzten Jahrzehnte. Aber: die Konstruktion ist nicht solide. Funktioniert ein Pilot Capless tadellos und trocknet nicht aus, so geht der Kugelmachanismus gerne fest, es ist eine Fehlkonstruktion, es fehlt an der Schmierung. Im legendären Artikel von Gregor auf meinen Seiten wird der dialog 3 in der Praxis aus allen Richtungen beleuchtet. Es gibt zum dialog 3 keine besseren Artikel! Mit der Zeit setzt sich das Gewinde und das Feder-Aggregat ist nicht mehr plan. Beim Einsatz von Patronen ist das naturgemäß besser, aber den Einsatz muss man zur Reinigung auch herausdrehen. Dabei hat der dialog 3 viele Freunde, die das alles in Kauf nehmen und ihre Tricks haben, den Halter am Laufen zu halten.

Beide Lamys sind daher keine passende und keine adäquate Option. 

Lösung 4:

Einige Empfehlungen, siehe dazu die Aufnahmen in einem exzellenten Sailor-5er-Lederetui:

Von links nach rechts: 1. Lamy dialog 3; 2. Pelikan M1000 zum Vergleich; 3. Platinum Izumo; 4. Edison Collier; 5. Bespoke Pens Conway Stewart Churchill

1. Lamy imporium; 2. Pelikan M1000 zum Vergleich; 3. Ranga 3; 4. Aurora Talentum; 5. Sailor Peerless 125

1. Onoto Magna Classic; 2. Pelikan M1000 zum Vergleich; 3. Delta Dolcevita Media; 4. Platinum Izumo  Matt Tagayasan; 5. Wancher Dream Pen True Ebonite Matt Black

Die Lamy imporium und dialog 3 und der Pelikan M1000 zum Vergleich.

• Platinum Izumo Urushi und Black Wood (Tagayasan)
• Ranga 3 (aus Indien)
• Edison Collier
• Bespoke Pens Conway Stewart Churchill
• Aurora Talentum
• Cross Peerless 125
• Onoto Magna
• Außer Konkurrenz: Delta Dolcevita Media
• Wancher Pen Dream Pen True Ebonite (direkt vom Hersteller aus Japan!)

Vor Jahren hätte ich gesagt. Das ist doch ganz einfach. Kauf Dir einen Delta Dolcevita, in welcher Größe Du ihn haben willst. Vielleicht noch Schwarz oder Orange? Fertig. Das war der perfekte Füllhalter. Ich habe Gott sei Dank viele davon, auch mit der "verrückten", heute unbezahlbaren Fusion-Feder, die so hervorragend ist. Gebraucht? Ich habe mal bei ebay geschaut, €1.000! Völlig verrückt. Der Media war in der Größe, so finde ich, optimal und er hätte Dir gefallen, sonst hättest Du auch noch den Oversize gehabt. Aber Delta ist Geschichte. Aus und vorbei. Das kommt nicht mehr. Die sogenannte Nachfolgemarke Leonardo Officina Italiana hat kein entsprechendes Modell. 

Platinums Izumo lassen sich aus England gut besorgen, sie sind dort preislich akzeptabel. Die Urushi sind groß, die Modelle aus Holz etwas größer, sie haben die Feder des Platinum President. Daher kommen sie nur in F. M und B. Sie fallen bei F und M feiner aus als bei uns. Die F-Federn sind eher problematisch (anders als beim Platinum 3776 Century), aber so ist das halt. Die M-Federn sind überzeugend gut. Das sind typisch japanische Füllhalter mit japanischer Handwerkskunst.

Die Ranga, handgefertigt in Indien (siehe dazu den sehr schönen Youtube-Film) sind etwas ganz Besonderes. Größe, Ausführung und Material kommen in enormer Vielfalt. Und es gibt sehr große Modelle wie den Majestic Pen. Federn gibt es in einer großen Vielzahl (auch Titan- und Goldfedern). 

Edison. Brian Grey stellt mit Hilfe von CNC-Technik eine Vielzahl von Modellen nach Wunsch, aber auch konfektioniert wie den Collier her. Die Federn stammen von Jowo und werden vor dem Versand optimiert. Das merkt man, das ist bei den von Ranga eingesetzten Federn (Jowo, Schmidt oder Bock mit jeweils anderen Griffstücken!) nicht so.

Wancher in Japan (Direktversand!) stellt wunderschöne Füllhalter in japanischer Tradition her, die recht kostengünstig sind. Die Federn von Jowo und die Goldfedern, die inzwischen als Wancher-eigen tituliert sind, sind sehr gut getunt. Bedenke die Clip-Losigkeit dieses Modells. Es gibt auch Ebonit-Tintenleiter auf Wunsch. 

Aurora ist einer meiner "All-Time-Favorites". Seit die Firma eine konsistente (und wie immer eigene!) Federfertigung hat und wenn man einen Internethändler hat, der die Federn vorab checkt, ist es eigentlich kein Problem mehr. Der größte Halter ist der Talentum, die Fertigung sehr gut, alle hochwertigen Modelle haben Hartgummi-Tintenleiter. Alles ist inhouse in Turin gefertigt. Aktuell gibt es bei manchen Modelle Probleme, man kann sich bei der Pandemie denken warum. Der Talentum ist nicht so dick wie ein M1000, aber sehr angenehm groß und auch angenehm lang. Die Federauswahl ist enorm. Die Federn sind Aurora-typisch rigide und die feinen auch recht toothy. Man sollte den Talentum erwähnen. Meinen ersten habe ich vor fast 20 Jahren geschenkt bekommen. 

Cross hat sich selbst neu erfunden. Eigentlich kaum vorstellbar, dass das möglich war, nachdem die Fertigung nach Fernost (China) verlegt worden war. In Frage käme der Peerless 125, der mit Sailor(!!!)-Federn daherkommt. Die F ist wirklich sehr fein. Ein Klasse-Füller mit eigenem Auftritt, recht schwer als Metallhülsenschreibgerät. Die Dimensionen eines M1000 erreicht er nicht. 

Schließlich noch die zwei Engländer:

Onoto und Conway Stewart sind moderne Firmen, die den Markennamen aufgekauft haben. Onoto produziert ebenso wie Bespoke Pens die Conway Stewart in Handarbeit, die Federn stammen von Bock. Beide bieten einen Service an, von einem Nibmeister die Federn wunschgemäß modifizieren zu lassen. Sehr billig ist das Ganze nicht (man bekommt die Modelle etwas günstiger über la Couronne du Comte in den Niederlanden), die beiden Hersteller liefern ganz andere Modelle. Der sehr große Churchill käme absolut in Frage, die Goldfedern sehen nicht so gut aus, sind aber sehr schön gefertigt. Den Magna Classic wollte ich erwähnen, ist er zwar mittelgroß, aber einer meiner Favoriten. 

Zusammenfassung:

Patronenfüllhalter gibt es wie Sand am Meer. Sehr große auch. Meist handelt es sich aber um außergewöhnliche Modelle wie aus Japan oder Indien, die derzeit mehr oder weniger gut zu bekommen sind. Gibt es einen Internethändler in England oder den Niederlanden ist es meist noch recht einfach, aber man kauft schon blind. Von den üblichen Marken wie Waterman, Parker oder auch Caran d`Ache gibt es da kein Angebot. Der perfekte Delta Dolcevita ist Geschichte und für einen akzeptablen Preis mit Gold- oder Fusion-Feder kaum zu bekommen. Der Edison Collier ist ein großer Füllhalter, das Griffstück ist ab er nur mittelgroß.  Interessanterweise kommen gerade aus England interessante Modelle wie der Conway Stewart Churchill, der zwar nicht diese riesige Feder hat, aber doch eine leicht elastische angenehme Feder, die man auch noch ab Werk modifizieren lassen kann. Eines ist aber klar: Es ist ein teurer Blindkauf. 

Ich hoffe, ich konnte etwas weiterhelfen.

Viele Grüße

Thomas